Rohwurstherstellung
Rohwurst - Fachseminar für das Fleischerhandwerk
Rohwurst ohne Nitrit oder Salpeter rötet nur schwach und unbeständig oder überhaupt nicht um.
Die Haltbarmachung erfolgt nur über Trocknung (aW-Wert-Senkung) und Säuerung (pH-Wert-
Senkung).
Sie ist deshalb problematisch, weil in der schwierigen Anfangsphase mit hohem aW-Wert und
hohem pH-Wert der Schutz des Nitrits vor Salmonellen und pathogenen Keimen wegfällt.
Selbst bei äußerst sorgfältiger Herstellung und Überwachung mit ausreichender Messtechnik (pHWert-
Kontrolle) bleibt ein Restrisiko.
Wer trotzdem Rohwurst ohne Nitrit herstellen will sollte folgende Punkte beachten:
Materialauswahl
Fleisch soll
• von älteren Tieren wie Muttersauen und Kühen stammen
• in hygienisch einwandfreiem Zustand sein
• 2 höchstens 5 Tage nach der Schlachtung verwendet werden, im Idealfall kann man den aW-Wert
entscheidend senken indem man Fleisch, egal ob Schwein, Rind oder Schaf wie folgt behandelt:
− Fleisch schlachtwarm ausbeinen und in faustgroße Stücke schneiden
− im Kühlraum flach auskühlen lassen und wie gewohnt weiterbehandelt
• einen pH - Wert zwischen 5,3 und 5,7 haben, d.h. es darf weder blass, weich und wässrig, noch
dunkel, fest und trocken sein, sondern muss Wasser langsam abgeben können, wofür die im vorigen
Punkt genannte Vorbehandlung ideal ist
Speck soll
• weiß frisch und kernig sein
• am besten schlachtwarm abgezogen, abgeschwartet und aufgehängt werden, damit er möglichst
viel Wasser abgibt und trocken und kernig wird (auskristallisiert).
• Herstellungsvorgang
Zerkleinern und Füllen der Rohwurst ist relativ einfach, man muss nur darauf achten, dass bei der
schnittfesten Rohwurst die Temperatur der Masse relativ niedrig (unter 2 °C) bleibt, damit das Fett
nicht schmiert und neben einem unschönen Anschnitt noch Schwierigkeiten bei der Trocknung
auftreten.
Die Reifung ist der problematischste Abschnitt der Rohwurstherstellung. Während der Reifung wird
die Wurst durch Trocknung (aW-Wert-Senkung) und Säuerung (pH-Wert-Senkung) haltbar und
gleichzeitig durch mikrobielle Vorgänge aromatisiert. Da für die schwierige Anfangsphase kein
Nitrit als Schutz zu Verfügung steht muss möglichst schnell ein aW-Wert von 0,9 und ein pH-Wert
von 5,0 bis 5,3 erreicht werden. Um trotzdem ein angenehmes mildes Rohwurstaroma zu erzielen
sollten auf alle Fälle Starterkulturen zugesetzt werden.
• Trocknung
Mit ausgekühltem Warmfleisch und auskristallisiertem Speck wird der aW-Wert entscheidend
gesenkt, die Trocknung auf einen aW-Wert unter 0,9 wird nun mit einem engen Darmkaliber (unter
Kaliber 60) relativ schnell erreicht und die mikrobiell instabile Phase dadurch verkürzt.
• Säuerung
Die „Kunst“ ein sensorisch hochwertiges Produkt mit geringem mikrobiellen Risiko herzustellen
besteht darin, während der Reifung/Fermentation den pH-Wert zwischen 5,0 und 5,3 zu halten. Ein
späterer Anstieg ist geschmacklich erwünscht, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die
Wurst ca. 30 % ihres Gewichts verloren hat (aW-Wert unter 0,86)
Die Säuerung wird über Materialauswahl, (s. o.) Zuckerzusatz, Starterkulturen und
Temperaturführung gesteuert.
Eine geschmacklich gute Wurst erhalte ich, wenn ich mit 3 g/kg Honig und 1 - 2 g/kg
Vollrohrzucker arbeite, da hier eine gute Aromatisierung bei relativ rascher pH-Wert-Senkung auf
5,0 bis 5,3 stattfinden kann.
• Reifeverfahren
Relativ sicher ist natürlich die Steuerung mit einer Klimakammer. Hier haben sich zwei Methoden bewährt:
Methode stetige Steuerung
Tag | Temperatur | relative Luftfeuchte |
---|---|---|
1 | 18°C | ungeregelt |
2 | 23°C | 95% |
3 | 22°C | 93% |
4 | 22°C | 93% |
5 | 20°C | 90% |
6 | 20°C | 90% |
7 | 18°C | 88% |
8 | 18°C | 88% |
9 | 18°C | 85% |
10 | 18°C | 85% |
11 | 18°C | 80% |
12 | 18°C | 80% |
Methode stetige Steuerung
Tag | Temp. | relative Luftfeuchte |
---|---|---|
1 | 18°C | ungeregelt |
2 | 23°C | 15min 95%, 15min 92% |
3 | 22°C | 15min 92%, 15min 90% |
4 | 22°C | 15min 92%, 15min 90% |
5 | 20°C | 15min 90%, 15min 88% |
6 | 20°C | 15min 90%, 15min 88% |
7 | 18°C | 15min 88%, 15min 85% |
8 | 18°C | 15min 88%, 15min 85% |
9 | 18°C | 15min 85%, 15min 80% |
10 | 18°C | 15min 85%, 15min 80% |
11 | 18°C | 15min 80%, 15min 75% |
12 | 18°C | 15min 80%, 15min 75% |
Lagerung
unter 15 ° C r. LF 75 %
Luftbewegung 0,05 - 0,1 m/s
Eine einfache und relativ sichere Methode der Rohwurstreifung ist dieLakereifung
Die Wurst (bis Kaliber 60 mm) wird wie gewohnt hergestellt, Salzzugabe jedoch nur 24 g /kg Fleisch + Fett.
Unmittelbar nach der Herstellung wird sie in eine handwarme (20 – 24 °C), Kochsalzlake eingelegt,
die Lakestärke beträgt 6 bis 8 %.
Pro cm Kaliber wird sie darin einen Tag bei 20 – 22 °C gereift (z. B. Kaliber 60 mm = 6 cm ⇒ 6
Tage Einlegezeit)
Danach wird die Wurst herausgenommen, lauwarm abgespült, aufgehängt und 48 h in einem
geschlossenen Raum ohne Zugluft abtrocknen lassen. Dafür eignen sich z. B. über das Wochenende
Autoklaven, Kombikammern u. ä.
Jetzt kann sie wie gewohnt geräuchert werden
Nachteile : Die Wurst kann salzscharf schmecken.
Risikoreicher, zeitaufwendig, aber durchaus machbar ist die Reifung im Kühlraum. Sie ist jedoch
nur für Würste mit höchstens Kaliber 60 mm zu empfehlen.
Wurst sofort nach dem Füllen in einer Schicht in gestapelte Eurokästen legen Drei Tage im
Kühlraum lagern, dabei einmal wenden.
Eine Woche im Kühlraum aufhängen Danach die Wurst 72 h in einem geschlossenen Raum ohne
Zugluft reifen lassen. Dafür eignen sich über das Wochenende Autoklaven, Kombikammern u. ä.
Jetzt kann die Wurst bei 15 °C und 75 % r. LF mindestens 3 Tage getrocknet und danach bei 18 - 22
°C kalt geräuchert werden.
Bei beginnendem Trockenrand kann die Wurst zwei bis drei Tage im Kühlraum vakuumverpackt
gelagert werden. Dabei findet ein feuchtigkeitsausgleich statt und die Wurst kann danach wie oben
beschrieben weiterbehandelt werden.
Starterkulturen
Eine hervorragende Sache ist der Einsatz von Mikroorganismen (Starterkulturen), die sich speziell
für die Rohwurstreifung eignen und gleich zu Beginn des Kuttervorgangs zugesetzt werden. Sie
aromatisieren nicht nur die Wurst in der gewünschten Weise, sondern sorgen gerade in der
kritischen Anfangsphase für die langsame Säuerung und unterdrücken andere unerwünschte
Mikroben, die zu Rohwurstfehlern führen könnten.
Starterkulturen immer zu Beginn des Zerkleinerungsvorgangs zusetzen und nie mit Salz oder
Gewürzen mischen, da sie sonst geschädigt werden können.
Starterkulturen werden gefriergetrocknet angeboten und sollten tiefgefroren gelagert werden.
Bei luftgetrockneten Würsten haben sich Edelschimmel als schützender und aromatisierender
Außenbelag bewährt. Hier wird die Wurst nach dem Füllen in eine Edelschimmellösung getaucht.
Diese Kulturen überziehen die Wurst mit einem erwünschten Schimmelrasen, der die Wurst
• aromatisiert (siehe Camembert)
• und vor unerwünschtem Außenbelag schützt
Edelschimmelkulturen sind im Fachhandel erhältlich.
Mit Schimmel gereifte Wurst darf nicht geräuchert werden, da sonst die Schimmelkultur abstirbt
und die Wurst ein unansehnliches, ungleichmäßiges Aussehen bekommt.
Natürlich dürfen weder Starterkulturen noch Edelschimmel dürfen genverändert sein.
Rohwurstreifung ist also immer eine Gratwanderung und muss deshalb besonders sorgfältig
überwacht werden. Ein guter Anhaltspunkt ist der Wurstzipfel.
Zipfel trocken bedeutet Luftfeuchte zu niedrig
Zipfel geschmeidig bedeutet Luftfeuchte richtig
Zipfel tropft bedeutet Luftfeuchte zu hoch
Anfangs sollte man mit engen Kalibern wie Schweinedünndarm oder Kranzdarm arbeiten.
Funktioniert damit die hauseigene Reifung können später Mitteldärme, Rinderschlund und
Hautfaserdärme o.ä. verwendet werden.
Rohwurstreifung ist sehr arbeitsintensiv und verlangt häufige Kontrollen. Jedoch, wie so oft,
entschädigt der Erfolg für die Mühen.
Dies ist ein Auszug aus dem Buch: Fachseminar für das Fleischerhandwerk: Kurzfassung Block 3 von Hermann Jakob
Fehler bei Rohwürsten
Fehler | Ursachen | Abhilfemaßnahme |
---|---|---|
Bildung eines ausgeprägten Trockenrandes |
Die Produkte wurden entweder zu schnell, bei zu geringer Feuchtigkeit oder zu starker Luftbewegung gereift. Zu hohe Räuchertemperatur am Beginn der Räucherung führt zu Verschalung bzw. Trockenrandbildung. Feuchtigkeit aus dem Inneren kann nicht mehr nach außen, wodurch die Gefahr von Fehlfermentationen und Hohlraumbildung im Inneren der Würste entsteht. |
Rohe Hauswürste vor Beschickung der Räucherkammer gut abtrocknen Temperaturkontrolle |
Rohwürste haben eine Oxidationsnote bzw. einen ranzigen Geschmack |
Die verwendeten Fette sind von minderer Qualität oder waren zu lange eingefroren. Übermäßiger Licht- und Sauerstoffeinfluss bei der Lagerung rufen Oxidationsprozesse hervor. |
Verwendung von einwandfreien Fetten lichtgeschützte Lagerung |
Rohwürste mit starker Hohlraumbildung und Rissen im Inneren verfärbte, ranzige Wurst |
zu schnelle Reifung und Fermentation, aber auch Fehlfermentation Fette beginnen um die Hohlstellen herum zu oxidieren, die Wurst verfärbt sich und wird ranzig |
Lagerbedingungen bei der Reifung überprüfen und einstellen |
Rohwürste ohne Schnittfestigkeit mit bröckeligen Konsistenz |
Eventuell zu lockere Füllung oder zu niedrige Salzzugabe. Der Gel-Zustand wurde nicht oder zu wenig erreicht. |
Salzgabe richtig einstellen Beim Füllen Lufteinschlüsse unterbinden |
Rohwürste weisen keine schöne Umrötung auf |
Zu wenig Pökelstoff Auch zu niedrige Temperaturen bei der Reifung und Lagerung kann zu Umrötungsmängeln führen |
Dosierung der Pökelstoffe überprüfen Überprüfung der Reifungstemperatur |
Rohwürste mit weißem Belag | Schmierbelag: verursacht durch Bakterien und Hefen und treten am Anfang der Reifung bei zu hohen Luftfeuchtigkeiten und Temperaturen auf. Dieses „Beschlagen“ kann zwar zu Beginn der Reifung noch abgewaschen werden, verursacht aber unter der Wursthülle meist einen dumpfen, käsigen Geruch und einen unerwünschten grauen Rand. „Wurstblüte“: ist ein Kochsalzausschlag auf der Oberfläche luftgetrockneter Rohwürste. Es ist ein trockener weißlicher Belag, der auch durch bestimmte Bakterien verursacht wird und als „Bereifung“ bezeichnet wird. Beim Kochsalzausschlag tritt Kochsalz in kristalliner Form an die Oberfläche der Produkte. |
Luftfeuchtigkeit und Temperatur bei der Reifung richtig einstellen; Eventuell Abwaschen des Belages; |
Neben der Geschmacksgebung können Gewürze auch das Wachstum unerwünschte Mikroorganismen hemmen (z.B. Knoblauch) oder vor Oxidation und Ranzigkeit schützen (Rosmarin, Salbei).
Viel Spaß