Weiterverarbeitung in der Waschküche
Erinnerungen an das Hausschlachten in der Gröninger Region
(die gesamte Serie wurde uns zur Verfügung gestellt vom Verfasser Ralf Staufenbiel)
In der Regel wurden die Schweinehälften zur Weiterverarbeitung auf der Schulter in die Waschküche transportiert. In ganz alten Zeiten ging es auch in die normale Küche, wo in vielen Fällen ein Kessel, Kohleherd und Koks-Grude eingebaut waren. Die Hälften wurden nun zügig zerlegt, zwischendurch gab´s schon mal ein Bierchen. Je nach geplanten Endprodukten (mehr Fleisch oder mehr Wurst), wurde das Fleisch in kleine Stücke, wohlsortiert nach Fett-, und schierem Anteil, aufgeteilt.
Das Fleisch für Gehacktes und Bratwurst wurde auf Kuchenbrettern oder einer flach ausgelegten Tür, die jeweils mit Betttüchern belegt waren, zum Auskühlen ausgebreitet. Als Kinder mussten wir immer aufpassen, dass keine Katzen und Hunde an die Fleischstücke herankamen. Jeder hatte eben seine Aufgaben! Und das Schöne beim Schlachten war das erschlichene Schulfrei! Ein kleines Wurstpaket für den Lehrer entband so manchen vor einer schriftlichen Entschuldigung.
Beim Abkühlen des Fleisches konnte man auf Grund jahrelanger Erfahrungen auch schon die Qualität des selben beurteilen, denn wenn Wasser von gekauften Schweinen von den Tüchern abtropfte, stammte es sicherlich vom Bäcker oder einem Bauern der z.B. viele Kürbisse an seine Tiere verfüttert hatte. Das Endresultat war bei einer zu schnellen Verarbeitung eine hohle Schlackwurst mit dem Ansatz zum Schimmeln. Die „Flomen“, auch Schmalzhäute genannt, sind eine weiße zähe fettartige Masse aus dem Nierenbereich; sie wurden zeitgleich mit dem ausnehmen des Schweines auf einem Kuchenbrett oder einer anderen Unterlage sorgfältig ausgebreitet, damit sich an der Oberfläche eine feste Haut bildete. Je kälter die Außentemperaturen, je schneller erstarrte das Fett. War die Haut reißfest genug, erfolgte das vorsichtige Abziehen der pergamentartigen Schicht, um diese nach dem Zuschneiden, als eine Art Kunstdarm, zurecht zu nähen. Diese lausige Arbeit erledigten standesgemäß die Frauen des Hauses, während die Männer die Pause zum Frühstück nutzten.
Oft mussten sie aber um einen Platz in der guten Stube kämpfen, denn dort saßen schon die älteren Herren und Freunde der Familie beim Skat, Bier und alten Geschichten: „Weißt Du noch…“ Das Fleisch wurde nach dem Frühstück und seiner Auskühlung zur Wurstverarbeitung fachgerecht zerschnitten und gewürzt. Dabei verließ sich der Hausschlachter oft auf seine Geschmackserfahrung. Es wurde aber auch nach Gewicht gewürzt. Als Gewürze wurden u.a. verwendet: Kochsalz, Majoran, Thymian, Piment, weißer Pfeffer, Nelkenpfeffer, Muskatnuss, Knoblauch (oft mit etwas Schnaps gemischt), Salpeter und Zucker. Kam in der Nachkriegs- u. DDR-Zeiten weißer Pfeffer an die Wurst, wussten eingeweihte Kreise, dass ein Westpaket gekommen war. Nach dem Würzen wurden die Stücke durch den Fleischwolf gedreht.
Übrigens, der Salpeter der normalerweise zur Herstellung von Schwarzpulver gedacht war, machte die Fleischmasse schön rot und appetitlich. Salpeter Kaliumnitrat ist das Kaliumsalz der Salpetersäure und wird heutzutage als Konservierungsstoff „E 251“ gehandelt.
Beim Drehen des Fleischwolfes war Ausdauer und Kraft gefragt, denn früher gab es noch keine elektrisch betriebenen Fleischwölfe. Heraus kam „Gehacktes“. Diese Masse wurde tüchtig mit der Hand gemengt und nochmals von allen abgeschmeckt. Jeder steckte den Finger in die Fleischmasse, rührte damit ein wenig herum und gab seinen Kommentar oder „Senf“ dazu ab. Gleicher Meinung war man nie!
Etwas Gehacktes wurde rechtzeitig zurückgelegt, um es gleich verzehren zu können, oder um als „Dankeschön-Wurstpaket“ für die Helfer auf die Reise gehen zu können. Auch wurde Gehacktes in Steintöpfe gepresst und mit heißem Schmalz übergossen – so wurde es für längere Zeit haltbar gemacht.
Mit der sogenannten Füllmaschine wurde das Gehacktes in die Därme eingebracht. Der Schlachter benötigte hierzu einen „Binder“, der die Wurst möglichst geschickt abband.
Zunächst formte er einige große Kugeln aus der Gehacktesmasse; ein Schlachtehelfer hielt derweil den Behälter des Geräts senkrecht, und eine Kugel nach der anderen wurde mit Schwung von oben passgerecht in den Behälter geknallt. „Plopp“ machte es. Das war besonders wichtig, damit möglichst wenig Luft dazwischen geriet. Den gefüllten Behälter musste man darauf am Gerät einsetzen, welches am Tisch fest angeschraubt war. Durch gleichmäßiges Drehen der Kurbel wurde die Wurstmasse vorn aus der gewählten Tülle herausgedrückt. Dabei konnte der zu füllende, auf die Tülle aufgezogene Wurstdarm fest gestopft und dann zugebunden werden. War die erste Wurst fertig, musste auf das gute Gelingen der Wurst wieder ein Schnaps getrunken werden.
Mit der auf Holzlatten- oder Besenstielen aufgehängten Wurst ging es nun in die Wurste- oder Speisekammer, wo noch überschüssige Flüssigkeit abtropfen konnte. Gut beraten war derjenige, der unter die Wurst Papier auslegte. Erst nach einigen Tagen der Ablüftung wurde sie mit Buchenspänen in der Räucherkammer geräuchert und anschließend in der Speisekammer, oder am sogenannten Wurstebaum, innerhalb einer kühlen Kammer aufbewahrt. „Wer dort schlief, hatte es gut und anschließend an Gewicht zugenommen...“
Aber es wurde nicht nur Räucherware hergestellt. Die Lunge, die Zunge, Leber, Nieren und Fettabschnitte und so weiter, waren inzwischen im „Kessel“ gar gekocht. Auch sie wurden in kleine Teile geschnitten, vom Fleischer nach Wurstart vorsortiert und durch den „Wolf“ gedreht. Das Ergebnis war Leber- und Blutwurst, die sich durch den Zusatz des aufgefangenen Blutes unterschied. Meistens wurde auch noch Schwartenwurst, eine Delikatesse unserer Region, die man mit Pellkartoffeln und einer sauren Gurke isst, hergestellt.
Während dieser zeitraubenden „Plockarbeit“ hatte man die Gelegenheit, seinen Essgelüsten nachzukommen. Auf eine Ecke des Plockbrettes kamen ein bis zwei Esslöffel Salz, wo man nach Bedarf eine Drüse, einen Streifen Niere, Leber, Schweinebacke etc. einducken konnte. Dazu noch ein Bier, oder einen Korn, dass war und ist schon etwas Feines. Am Ende der Verkostung wurde noch der eine oder andere Schnaps getrunken, denn schließlich handelte es sich um sehr fettreiche Nahrung... Oft war auch so viel Fett vorhanden, dass gegen Abend jede Türklinke des Hauses klebte.